Autorennbahn

Die Geschichte der Autorennbahn

Artikel wurde aktualisiert am 16.02.2016

Kaum eine Marke ist so sehr zum Synonym für den dahinterstehenden Artikel geworden wie Carrera. Jede unter diesem Namen produzierte bzw. angebotene elektrische Autorennbahn steht für hochwertiges Material, detailgenaue Verarbeitung, verlässliche Technik, höchste Qualität – und eine Entwicklungsgeschichte, die ihresgleichen sucht: Die Vorläufer der heute bekannten Slotcar-Bahn standen Pate für eine der härtesten Sportarten weltweit – das Autorennen.

Von der Henne zum Ei – oder umgekehrt?

Was wie ein Paradoxum klingt, erklärt sich durch einen Blick in die Historie des beliebten Spielzeuges. Noch bevor an Motorsport oder die ihm nachempfundene Slot-Bahn überhaupt zu denken war, stellten fortschrittliche Eltern des ausgehenden 19. Jahrhunderts ihren Kindern mechanisch betriebene Modellautos zur Verfügung. Hochwertig ausgestattete und genügend aufgezogene Flitzer brachten es auf eine bemerkenswerte Geschwindigkeit – und animierten ihre kleinen Besitzer zu Wettfahrten quer durch die gutbürgerliche Wohnung.

Dieser Kinderspaß stieß bei den tipp-verrückten Briten auf großes Interesse. Sie verfeinerten die Ausstattung der Miniatur-Nachbauten und ließen sie gegen hohe Einsätze um Sieg oder Platz fahren. Nachdem sich daraus in vielen kleinen Schritten ein Sport mit echten Autos entwickelt hatte, folgte bald der Umkehrschluss: Die große Rennstrecke fand ihren Weg in die Kinderzimmer.

Aller Anfang ist schwer – bzw. langsam

Die ersten bekannten kommerziellen Slotcars von Lionel Corp 1913

Die ersten bekannten kommerziellen Slotcars von Lionel Corp 1913

Bevor die verkleinerte Ausgabe zur ersten Slot-Bahn wurde, bestand der nachgebaute Raceway aus einer Fahrfläche mit hoch aufgewölbten Rändern, welche die darauf gesetzten Mini-Rennwagen in der Spur hielten. Wie ihre Vorläufer mussten auch diese Autos noch per Hand aufgezogen werden. Aufgrund ihrer inzwischen deutlich geschrumpften Größe besaßen sie einen Antrieb in Form von Uhrwerken, mit deren Hilfe sie sich über einen längeren Zeitraum vorwärts bewegen konnten. Das Gewicht der üblicherweise verwendeten Spielzeug-Materialien Holz und Metall machte die kleinen Fahrzeuge allerdings relativ träge, so dass sich die spannenden Rennen der „Großen“ damit nur bedingt simulieren ließen.

Flugzeug und Eisenbahn – große Vorbilder für kleine Flitzer

Diesem Umstand wussten findige Väter durch Anleihen beim Flugzeug- bzw. Flugmodellbau zu begegnen. Sie statteten die Autos ihrer Kinder mit Miniatur-Dieselmotoren aus und entwarfen die ersten Wagen aus gewichtsarmen Werkstoffen. Dabei kamen bevorzugt Leichtmetallbleche und Balsaholz zum Einsatz. Die nun leistungsstärkeren Antriebe und das wenig wiegende Material machten die kleinen Flitzer wesentlich schneller – erhöhten jedoch gleichzeitig die Gefahr, dass die Fahrzeuge umkippten oder aus der Kurve getragen wurden.

Um die Mini-Autos auch bei hohem Tempo in der Spur halten zu können, entwarfen Freunde rasanter Fahrten eine Vorrichtung, deren Prinzip der späteren Slot-Bahn bereits verblüffend ähnlich war: In Anlehnung an das bereits bekannte System von Modelleisenbahnen führten sie ihre Rennwagen mittels eines schienenähnlichen Metallbandes über die Fahrfläche.

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Neue Bauweise – neues Wettglück

Auch diesen Entwicklungsschritt wussten die wettbegeisterten Engländer für sich zu nutzen: Die eigentlich für Kinder gedachten Anlagen wurden ab den frühen 1950-er Jahren vermehrt in den Hinterzimmern von Pubs oder anderen gestronomischen Einrichtungen aufgebaut. Hier fanden unter den Augen zahlreicher Erwachsener Vorläufer des späteren Slotracing statt.

Um die Miniatur-Autos während der Wettfahrten besser steuern, kontrollieren und ganz sicher siegen lassen zu können, bauten Fans der so genannten „Railracings“ das Prinzip der Rennbahnen weiter aus. Sie ersetzten die kleinen Dieselmotoren der Flitzer durch einen Elektroantrieb und fügten dem schienenartigen Führungsstrang ein weiteres Metallband hinzu. Darüber konnten sie die Wagen mit Strom versorgen – und konstruierten so die weltweit erste elektrische Autorennbahn. Zum Drosseln oder Erhöhen der Geschwindigkeit dienten von Morse-Apparaten entlehnte Drucktaster bzw. Lenkrädern nachempfundene Drehregler.

Von der Schiene zum Slot und zu mehr Mobilität

Sehr frühe Zigarren von Scalextric

Sehr frühe Zigarren von Scalextric

Durch Tiefer- bzw. Flachlegen wandelte sich der anfangs noch leicht erhabene Schienstrang zum Führungsschlitz – jenem „Slot“, der den immer weiter entwickelten Rennstrecken schließlich ihren Namen gab. Mit Erfindung des Werkstoffes Plastik stand endlich auch das ideale Baumaterial für Fahrflächen und Autos zur Verfügung: preiswert, strapazierfähig und vor allem leicht.

Damit aber schien die Entwicklung erst richtig in Gang zu kommen. Ein drittes Mal trug die Wettfreude des britischen Volkes zu einem Meilenstein in der Geschichte des Slotracing bei. Weil die Sieger der einzelnen Grafschaften des Landes gegeneinander antreten sollten, aber keiner auf seine gewohnte Ausstattung verzichten wollte, konstruierten clevere Mitbürger kurzerhand eine mobile Rennbahn. Deren Einzelteile ließen sich so leicht auseinandernehmen und wieder zusammenstecken, dass die Neuerung umgehend auch als Spielzeug-Bausatz angeboten wurde. Damit hatte die Carrera Autorennbahn wiederholt eine Brücke zwischen Kindern und Erwachsenen geschlagen.

Die Rennstrecke wird zum Renner

Als sei das nicht genug, schufen Slotcar-Bahnen kurz darauf auch noch eine Verbindung zwischen alter und neuer Welt: Sie schafften den Sprung über den „großen Teich“ und schlugen am Zielort ein wie eine redensartliche Bombe. In den USA entwickelten sich die Mini-Rennstrecken zum regelrechten Boom. Nahezu allerorts wurde mehrmals täglich ein Slotracing ausgetragen, für das spezielle „Modelcar-Raceways“ entstanden. Die maßstabsgetreuen Anlagen verfügten über gleich mehrere Fahrspuren, welche einzeln gemietet werden konnten und über nie dagewesene Distanzen von bis zu 80 m führten. Zusatzelemente wie Steilkurven oder Loopings entsprachen zwar nicht mehr dem realen Vorbild, erhöhten den Reiz damit ausgestatteter Slot-Bahnen jedoch zusätzlich.

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In der alten Heimat wollte das Mietbahnen-Konzept hingegen partout nicht fußen. Hier entwickelte sich die elektrische Autorennbahn dafür zum härtesten Konkurrenten der Modelleisenbahn. Immer mehr Hersteller von Miniatur-Zügen boten nun auch auf 1:32 verkleinerte Slotcars mit dazugehörigen Fahrstrecken an. Den größten Erfolg hatten jene, die passendes Zubehör wie Tuning-Artikel, Landschafts-Elemente oder Figuren-Gruppen mitlieferten. Carrera tat sich in dieser Zeit durch eine auf acht Spuren erweiterbare Slot-Bahn hervor.

Autorennbahn Track im Maßstab 1:24

Autorennbahn Track im Maßstab 1:24

Flaute im Fahrerlager

Nach gut einem Jahrzehnt ebbte die „Slotcar-Mania“ ebenso plötzlich ab, wie sie begonnen hatte. Sowohl in den Ursprungsländern als auch im weltgewandten Amerika legte sich eine dicke Staubschicht auf die Anlagen und auf die Geschichte des Slotracing. Die ehemals boomenden Mietbahn-Anlagen mussten schließen oder einer anderen Nutzung zugeführt werden. Von den einst führenden Herstellern konnten es sich nur wenige leisten, weiterhin Rennstrecken-Systeme im Angebot zu haben. Auch Carrera verbuchte nur mäßigen Erfolg bei dem Versuch, zusätzliche Spielelemente für seine Slotcar-Bahn zu etablieren.

Neustart in den Neunzigern

Dabei war die Idee gar nicht schlecht. Sie kam nur etwas zu früh, denn erst im ausgehenden 20. Jahrhundert erlebte das Genre eine Wiederbelebung. Doch anders als in den zurückliegenden 60-ern steht seither nicht mehr der Wettbewerbsgedanke im Vordergrund, sondern der – auch real existierende – Teamgeist. Heute ausgetragene Slotracings orientieren sich mehr denn je an den Bedingungen des echten Rennsports. Dementsprechend hat auch fast jede aktuell erhältliche Slotcar-Bahn eine umfassende Überarbeitung erfahren.

Carrera Rennbahn

Einige Klassiker aber scheinen unverwüstlich. So ist das achtspurige System von Carrera zwar ebenfalls gründlich modernisiert worden, gilt jedoch nach wie vor als DIE elektrische Autobahn schlechthin. Dass sie auch heute noch für den „typischen“ Vertreter einer Reihe ähnlich gestalteter Spielzeuge gehalten wird, liegt nicht zuletzt daran, dass die Carrera Rennbahn von Anfang an ausdauernd an der Geschichte von Slot-Bahnen mitgeschrieben hat.

Autorennbahn Boxengasse

Autorennbahn Boxengasse

Ungebrochen aktuell

Kaum ein anderes Unternehmen darf zur Ergänzung seiner Produkte so viele Lizenzbauten verwenden wie die Tochtergesellschaft des österreichischen Spielzeugherstellers Stadlbauer: Zahlreiche Carrera-Modelle bilden bekannte Wagen der Formel 1 oder der Deutschen Touren-Meisterschaft ab. Darüber hinaus sind als Zubehör für eine Slotcar-Bahn von Carrera auch Nachbauten historischer Rennautos erhältlich, die bei Sammlern der flinken Flitzer besonders hoch im Kurs stehen. Hoffentlich bleiben uns die Autorennbahnen noch ganz lange erhalten.

Von Jochen

Jochen hat eine 21 Meter lange Carrera Digital 124 Autobahn im Keller stehen. Hier will er seine Modelle, Bastelarbeiten und Erfolge mit dem Slotcar teilen.
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